Wildkräuter

Wozu brauchen wir Bitterstoffe?

Die meisten Menschen verziehen das Gesicht, wenn sie Bitteres in den Mund bekommen. Wir haben auf unserer Zunge Rezeptoren, die Bitteres sofort wahrnehmen. Bitterstoffe werden von Pflanzen gebildet, um sich vor Fressfeinden zu schützen. Viele Giftpflanzen sind extrem bitter und zeigen uns und den Tieren damit an, dass man sie besser stehen lassen sollte. Sie wirken als Appetitzügler und bewahren gleichzeitig ihre Fressfeinde davor, sich zu schaden.

Andererseits nehmen Bitterstoffe in der traditionellen Medizin zahlreicher Kulturkreise einen wichtigen Stellenwert ein. Die jahrhundertealte Erfahrung mit Bitterstoffen zeigt, dass sie direkt zu Gesundheit und Vitalität führen. Die Ernährung des Menschen vor einigen Generationen umfasste eine Vielzahl bitterstoffhaltiger Gemüse – Wurzelgemüse, Blattgemüse, Wildpflanzen. Wie hat es schon Paracelsus so schön formuliert: „Jedes Ding ist Gift und nichts ist ohne Gift, allein die Dosis macht, das ein Ding kein Gift sei“.

Aus nahezu allen Kulturpflanzen wurden die Bitterstoffe inzwischen weitestgehend oder sogar vollständig raus gezüchtet, um sie auf diese Weise schmackhafter zu machen und damit besser verkaufen zu können. So lieben wir heute eher süße, salzige, saure oder scharfe Speisen. Da Bitterstoffe allerdings herausragende Wirkungen auf unsere Gesundheit haben, trägt vermutlich die fast vollständige Abwesenheit dieser Substanzen zu inzwischen weit verbreiteten  gesundheitlichen Störungen bei.

Der alte Spruch „Was bitter im Mund, wirkt im Magen gesund“ weist darauf hin, dass Bitterstoffe einen großen Einfluss auf unsere Verdauung haben. So entfalten sie ihre Wirkung bereits in dem Moment, in dem sie mit unserer Zunge in Kontakt kommen. Sie bewirken Speichelfluss als erste Vorbereitung auf die Verdauung. Damit können die im Speichel enthaltenen Enzyme (Amylasen) Bissen für Bissen enzymatisch zerlegen, so dass dieses optimal «vorverdaut» in den Magen gelangt. Dort bewirken die Bitterstoffe eine vermehrte Freisetzung von Magensaft und eine Mehrdurchblutung der Magenschleimhaut. Die Leber beginnt Gallensaft zu produzieren und die Bauchspeicheldrüse gibt wichtige Verdauungssäfte und -enzyme  ab. Damit ist der gesamte Verdauungsmotor sozusagen bereits warm gelaufen, wenn die Nahrung ankommt. Sie kann nunmehr sehr effektiv und vollständig verarbeitet werden. Eine Sättigung wird schneller erreicht, sie wirken als natürliche Essbremse. Durch diese effektive Verarbeitung beugen sie Verdauungsstörungen vor bzw. wirken ihnen entgegen. Darüber hinaus wird die Entgiftungsfunktion der Leber gefördert, was zu einem schnelleren Abbau bedenklicher Substanzen führt. Bitterstoffe wirken Fäulnisprozessen und Pilzinfektionen im Darm entgegen und begünstigen die Aufnahme von Nähr- und Vitalstoffen aus dem Darm. So tragen sie insgesamt zu einer gesunden Darmflora bei, die wiederum Grundlage einer guten Immunlage ist.

Bitterstoffe helfen bei einer Vielzahl von Verdauungsstörungen.  Dazu zählen Appetitlosigkeit,  Blähungen, Schwäche der Verdauungsdrüsen von Magen und Darm, Krampfneigung und Erschlaffung der Verdauungsorgane, Leberfunktionsschwäche, Störungen der Gallenblasen- und Bauchspeicheldrüsenfunktion, Untersäuerung des Magens, Verstopfung und Völlegefühl. Darüber hinaus entfalten Bittermittel eine anregende und kräftigende Wirkung auf den ganzen Organismus. So können bei chronisch müden und schlappen Menschen Bitterstoffe dazu beigetragen,  wieder neuen Elan zu finden, z.B. weil sie die Aufnahme von Nähr- und Vitalstoffen aus dem Darm begünstigen. Auch bei Hautbeschwerden wie Ekzemen, Akne oder Hautunreinheiten können Bitterstoffe hilfreich sein.

Bitterstoffe gelten als ideale Gegenspieler zu Süßem. Werden bei Lust auf Süßes Bitterstoffe statt Süßigkeiten gegessen, verliert sich der Zuckerhunger und so wirken sie auch auf diesem Weg förderlich auf unsere Gesundheit.  Auch wenn es anfangs wahrscheinlich etwas Überwindung kostet, Süßhunger durch  Bitterstoffe zu stillen – einen Versuch sollte es wert sein. Hat man sich mit dem Geschmack vertraut gemacht, schmeckt auch das Bittere sehr fein. Bitteres sollte übrigens nicht gesüßt werden, da die Wirkung sonst abgeschwächt wird.

Als bitterstes Heilkraut gilt der gelbe Enzian. 1g davon schmeckt erst (fast) neutral, wenn es mit 30 Liter Wasser verdünnt wurde. Man spricht daher von einen Bitterwert von 30.000. Im Vergleich dazu reichen bei 1g Löwenzahn bereits 0,1 Liter Wasser aus, um weitestgehend zu neutralisieren.

Bitterstoffe entfalten ihr ganzes Potential, wenn man sie jeweils ca. 15 Minuten vor einer Mahlzeit einnimmt (z.B. in Form von Tee oder Heidelberger Bitterpulver).
Allerdings muss man sich Bitterstoffe nicht unbedingt in Form eines solchen „Cocktails“ einverleiben. Die Natur hält eine Vielzahl von hilfreichen Pflanzen mit einem natürlichen Bitterstoffgehalt für uns bereit. Dazu zählen unter anderem: Artischocken, Chicorée, Radicchio, Rucola, Endivie, Friséesalat, Grapefruit, Rosenkohl aber auch Löwenzahn, Wermut, Mariendistel, Angelika oder Engelwurz, Beifuß, Eberraute, Hopfen, Schafgarbe, Spitzwegerich, Wegwarte u.v.a.

Wenn solche Pflanzen regelmäßig und maßvoll in die tägliche Ernährung integriert werden, schafft das eine gute Basis für einen gesunden Organismus. Bitterstoffe stärken die Organe und schenken Energie. Die Geschmacksinformation „bitter“ aktiviert im Körper die Verdauung, Ausscheidung und Regeneration, regt also den Parasympathikus an und fördert damit gleichzeitig Ruhe und Energieaufbau.

Eine empfehlenswerte Einführung in die Welt der wilden (und bitteren) Kräuter sowie ihrer Verwendung geben z.B. folgende Bücher:

„Wildpflanzen zum Genießen“ von Rita und Frank Lüder
„Essbare Wildpflanzen“ von Fleischhauer/Guthmann/Spiegelberger