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Pilgern – Wege zu mehr Gesundheit

Wie kann pilgern sich positiv auf unsere Gesundheit auswirken? Diese Frage stand für mich gar nicht, als ich beschlossen habe, mich selbst einmal auf Pilgerreise zu begeben. Für mich sollte es einfach eine Reise zu mir selbst werden und ich wollte wieder Kraft aus der Natur schöpfen. Da es nicht bei diesem einen Mal pilgern geblieben ist und ich nach diesen kurzen Auszeiten jeweils enorm gestärkt zurückgekommen bin, möchte ich hier gern einige Anregungen, Eindrücke und Erfahrungen wiedergeben.

Inzwischen gibt es neben sehr bekannten Pilgerwegen – z.B. in Spanien – auch in Deutschland einige schöne Pilgerwege. Ich habe mich als erstes für den ökumenischen Pilgerweg in Deutschland entschieden. Er ist 450 km lang und geht von Görlitz nach Vacha in Thüringen. Je nach vorhandenem Zeitfenster kann man diesen Weg in Abschnitten oder auch als Ganzes laufen. Für mich boten sich einzelne Abschnitte an und so habe ich mir jeweils ca. 1 Woche Auszeit auf diesem Pilgerweg gegönnt. Im Folgejahr setzte ich meinen Weg dann dort fort, wo ich zuvor aufgehört hatte. Pro Woche steckte dann eine Fußreise von ca. 160 km in den Beinen, also im Schnitt ca. 23 km am Tag. Das ist ein fantastischer Gegenpol zu einer überwiegend sitzenden Tätigkeit an den restlichen Tagen des Jahres.

Was macht Pilgern interessant und was bedeutet es für uns und unsere Gesundheit?

Zunächst einmal ist es gewöhnungsbedürftig, aus der Hektik und dem Lärm der Großstadt heraus, sich plötzlich auf dem Land, auf teilweise recht einsamen Wegen mit absoluter Stille wiederzufinden. Kein Termindruck, keine Telefonate, keine Zettel, die es abzuarbeiten gilt, sondern einfach Zeit und Ruhe für diese Reise.
Die – mit der blauen Jakobsmuschel gekennzeichneten – Wege sind Fußwege, Radwege, Feldwege wenig befahrene Straßen,  Waldwege und manchmal auch eine Art Trampelpfad mitten durch hohe Pflanzen. Sie führen durch kleine Ortschaften, auch durch Städte, aber überwiegend durch (fast) menschenleere Landschaften. Wer allein auf dem Weg ist, kann seinen Gedanken freien Lauf lassen, die Natur bewundern und genießen, aber auch Vertrauen aufbauen, dass man immer auf dem rechten Pilgerweg läuft und sich nicht verläuft sowie abends eine Pilgerherberge erreicht, die offen ist und noch eine Matratze oder ein Bett zum Übernachten frei hat. So, wie nicht in jedem Ort Herbergen sind, gibt es auch nicht überall etwas Essbares. Mit etwas Glück und in der richtigen Jahreszeit findet sich am Wegrand manchmal Genussvolles, wie Brombeeren, Waldhimbeeren, Heidelbeeren, Äpfel oder Mirabellen.
Es ist ein fantastisches Gefühl, nach einer anstrengenden Reise abends ein Geschäft oder eine Gaststätte zu finden und ein sättigendes Abendmahl einnehmen zu können. Da das auf so einer Pilgerreise nicht immer selbstverständlich ist, nimmt Nahrung wieder einen ganz anderen Stellenwert ein. Gleichzeitig stellt sich mit der Zeit Gelassenheit ein, da die Erfahrung lehrt, dass man eine Herberge finden und erreichen wird, dass man dort herzlich aufgenommen wird und auch mindestens ein bis zwei Mal täglich die Möglichkeit hat, eine Mahlzeit einzunehmen. Manchmal trifft man auf andere Pilger. Jeder hat seine Geschichte und es ergeben sich wunderbare tief gehende Gespräche und Begegnungen.

So bedeutet pilgern, frei von Ablenkungen zu sein, sich auf das Notwendigste zu konzentrieren, seinen Gedanken freien Lauf lassen und damit auch mal gedanklich neue, bis dahin unbekannte Wege gehen zu können. Wir lernen unseren Körper und seine Grenzen kennen. Wie gehen wir damit um, wenn die Füße voller Blasen sind und jeder Schritt schmerzhaft ist? Wir lernen zu respektieren, Pausen einzulegen und die Langsamkeit schätzen. Wir lernen, dass wir auch gemütlichen Schrittes ans Ziel kommen und dabei den Weg trotz aller Beschwerlichkeiten genießen können. Gleichzeitig können wir unseren Körper in einer Weise fordern, die im Alltag selten möglich ist.

„Gehen ist die Geschwindigkeit der Seele“ sagte mir mal eine Frau bei einer Kräuterführung. Das kann ich aus tiefstem Herzen bestätigen. Pilgern bedeutet, Körper und Geist wieder in Einklang zu bringen. Im Zeitalter der Technik ist langsames und bedächtiges Laufen Luxus geworden. Beim Pilgern können wir diesen modernen Luxus leben. Wir haben die Möglichkeit, inne zu halten und in uns einzukehren, um uns auf ein großes, schönes Abenteuer zu begeben.

Bereits nach einer Woche pilgern können sich positive gesundheitliche Veränderungen zeigen. Dadurch, dass wir uns in dieser Zeit fast den ganzen Tag an der frischen Luft bewegen, atmen wir tiefer und versorgen so alle Zellen unseres Körpers mit mehr Sauerstoff, wir tanken reichlich Sonne und damit Vitamin D und regen durch das beständige Gehen unseren Knochenstoffwechsel an. Wir kräftigen unsere Muskulatur, unseren Bewegungsapparat insgesamt, stärken unsere körperliche Fitness, tanken Energie, verlieren meist – auch ohne Anstrengung – ein paar überflüssige Pfunde, trainieren Herz und Kreislauf, werden ruhiger und gelassener, bauen Vertrauen in uns selbst auf und erfahren Neues über uns, wir lernen die Gegenden und die Natur auf eine intensive Art und Weise kennen und schätzen, fühlen uns wieder verbunden mit der Natur und empfinden Freude über viele Kleinigkeiten sowie schöne Momente oder Begegnungen.

Das alles ist nur ein kleiner Ausschnitt aus dem ganzen Spektrum der positiven Wirkungen einer solchen Reise zu Fuß und unabhängig von Religion oder Spiritualität. Meist ist ein Verlassen der Komfortzone – was pilgern auf alle Fälle ist – der erste Schritt für weitere positive Veränderungen im Leben.

Mein Fazit: Pilgern ist eine wunderbare Möglichkeit seine Gesundheit sowohl auf körperlicher als auch auf psychischer und geistiger Ebene zu stärken und zu fördern. Selbst, wenn eine Pilgerreise nur ein oder zwei Wochen dauert, wirkt sie nachhaltig positiv auf uns und unser Wohlbefinden – nicht nur für die Zeit des Pilgerns, sondern auch für die restlichen Tage und Wochen des Jahres.

Wer sich auf den Weg begeben möchte, findet im Internet viele Informationen für eine solche Reise.Wissenswertes zum ökumenischen Pilgerweg gibt es unter: https://www.oekumenischer-pilgerweg.de/